Urne zuhause?
Immer häufiger wird uns in Beratungs- und Vorsorgegesprächen die Frage gestellt:
„Warum darf ich die Urne nicht zu Hause aufheben?„
Die einzige korrekte Antwort: „Weil das Gesetz es verbietet!“
Im Allgemeinen wird diese Antwort als ziemlich unbefriedigend empfunden; und das zu recht.
Es ist zunächst die Frage zu stellen, warum immer mehr Menschen über diese Möglichkeit nachdenken.
Dass bei einer Erdbestattung der Friedhofs- und Bestattungszwang schon aus hygienischen Gründen sinnvoll ist, dürfte wohl nur von einer Minderheit bestritten werden.
Anders sieht es jedoch bei einer Feuerbestattung aus, die mittlerweile zur „normalen“ Bestattungsform geworden ist und regional unterschiedlich zwischen 50 und 80 Prozent der Gesamtbestattungen ausmacht .
Zudem ist in unserer Gesellschaft ein immer stärker werdender Wunsch nach Individualität sichtbar, der auch auf den Bereich der Trauer und des Ortes einer Bestattung übergreift. Hier wird in Gesprächen deutlich, dass sich viele Menschen bevormundet fühlen. Dies ruft zum Teil eine Art Trotzreaktion hervor.
Bedingt durch die demographische Entwicklung gibt es immer weniger Menschen, die eine Grabpflege über viele Jahre an einem festen Ort gewährleisten können. Dazu kommen die immer stärker steigenden Gebühren kommunaler Friedhöfe, die die Kosten des Bestatters oft schon übersteigen.
Durch eine immer stärker werdende Berichterstattung zu den Themen Tod und Trauer wird auch deutlich gemacht, dass es in den meisten europäischen Ländern und in den USA eine wesentlich freiere Rechtspraxis gibt.
Die genannten Gründe führen also dazu, dass sich immer Menschen um eine alternative Art der Beisetzung der Asche Gedanken machen. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, das sich die Mehrheit der Angehörigen einen festen Ort wünscht, an dem die Asche liegt und zu dem man hingehen kann.
In der letzten Zeit wird dann immer häufiger die anonyme Bestattung gewählt.
Das es aber in vielen Fällen nicht ausreicht, nach ein paar Monaten vor einer grünen Wiese zu stehen, ohne bei der Beisetzung dabei gewesen zu sein, wird vielen Angehörigen erst im Nachhinein bewusst.
Anders sieht es zum Beispiel bei der Beisetzung in den Begräbniswäldern aus. Hier habe ich Individualität („mein Baum“) und einen Ort zum Trauern, den ich aufsuchen kann, aber nicht muss.
Die Aufbahrung einer Urne zu Hause oder die Beisetzung auf dem eigenen Grundstück ist damit die konsequente Fortführung dieser Gedanken. Es ist ein fester Ort vorhanden, die Individualität hat ihre höchste Stufe erreicht und ich spare mir auch noch die teuren Friedhofs- und Begräbniskosten.
Schauen wir uns also die Argumente an, die gegen die Aufbahrung oder Beisetzung einer Urne zu Hause angeführt werden.
Oft wird in diesem Zusammenhang auf einen Verfall der Begräbnis- und Friedhofskultur verwiesen. Dieses „Argument“ entbehrt jeder Grundlage, da sich Kulturen und Riten in einem permanenten Wandlungsprozess befinden, wie man an der in den letzten Jahren bereits stark veränderten Bestattungspraxis auch sehen kann.
Hier werden in erster Linie finanzielle Interessen der Friedhofsträger sowie einiger Bestatter stehen, die sich den veränderten Bedingungen nicht anpassen können oder wollen. Dies ist, sofern es die Kommunen betrifft, durchaus ernst zu nehmen, könnte allerdings mit einer Erweiterung des Bestattungsangebotes aufgefangen werden .
Häufig wird von Gegnern der Freigabe vorgebracht, dass die Urne der Öffentlichkeit entzogen würde, der Zugang unmöglich wäre. Das ist sicher richtig. Allerdings ist das auch bei anderen, legalen, Bestattungsarten, wie Seebestattungen oder anonymen Bestattungen der Fall. Auch hier hat „die Öffentlichkeit“ keinen Raum zum Trauern. Insofern verhalten sich Ordnungsämter, die anonyme Bestattungen anordnen, genauso wie jemand, der seine Urne zu Hause hat – allerdings werden die Beweggründe des Letzteren wohl anders gelagert sein.
Ein weiteres Gegenargument ist der sogenannte „Missbrauch“ der Urne bzw. der Asche. Sie könne zu obskuren Zwecken verwendet werden oder einfach auf den Müll geworfen werden.
Auch das ist richtig. Es gibt aber keine gesetzliche Regelung, egal auf welchem Gebiet, die einen Missbrauch verhindern kann. Es kann aber auch nicht sein, den ordnungsgemäßen „Gebrauch“ im Gegenzug zu kriminalisieren.
Das irgendwann die Asche auf einer Müllkippe landet ist ebenfalls möglich. Hier hätten die Kommunen die Möglichkeit „Alturnen“, auf die niemand mehr Wert legt, anzunehmen und an geeigneter Stelle beizusetzen (die Kosten hierfür sind sehr gering!). Darüber hinaus gestatte ich mir die etwas ketzerische Frage, ob die Asche eines Menschen, zu der niemand mehr einen Bezug hat nicht einfach „nur“ noch Asche ist?
Bei einem Blick in unsere Nachbarländer wird man feststellen, dass der offene Umgang mit Urnen zu keinerlei Problemen führt und die Bestattungskultur in diesen Ländern einen entscheidenden Schritt voran gebracht hat. In Holland sieht die Rechtslage vor, das Angehörige die Urne 30 Tage nach der Einäscherung ausgehändigt bekommen. Wird die Urne von den Angehörigen dann wieder nach Deutschland gebracht, muss sie bestattet werden, ansonsten liegt eine Ordnungswidrigkeit vor.
Es gibt allerdings ein Argument, das tatsächlich gegen eine Aufbewahrung der Asche zu Hause spricht. Der Sinn eines Grabes auf einem Friedhof ist natürlich auch der, dass die Angehörigen allmählich Abstand bekommen können. Die Trauer wird im Regelfall nachlassen, der Wunsch nach Nähe zu den überresten des Verstorbenen auch. Hier kann es problematisch werden, wenn durch eine tägliche Konfrontation mit der Urne dieser Abstand nicht hergestellt werden kann.
Die Rechtslage in Rheinland-Pfalz (Stand Mai 2017) sieht so aus, das ein Bestatter den Angehörigen die Asche nur dann aushändigen darf, wenn diese eine private Grabstelle (z. B. im Ausland, Schweiz etc.) nachweisen können. Nach der Aushändigung müssen die Angehörigen die Urne in einer (allerdings unbestimmten) Frist zu dieser Grabstätte transportieren. Wenn die Urne statt dessen unbegrenzt zu Hause aufbewahrt wird, ist dies eine Ordnungswidrigkeit (keine Straftat!).
Es ist äußerst wichtig, mit den Angehörigen hierüber zu sprechen und eine Entscheidung reifen zu lassen. Ich habe festgestellt, dass die überwiegende Zahl der Menschen, die einen solchen Wunsch hypothetisch äußern, nach dieser Überlegung wieder davon absieht. Wir werden diese Möglichkeit daher auch nie von uns aus in einem Gespräch vorschlagen. Wer es aber dennoch möchte, dem sollte dieses Recht unserer Meinung nach nicht abgesprochen werden. Bis zu einer Änderung der Rechtspraxis in unserem Bundesland wird es aber wahrscheinlich noch eine Weile dauern.
Die meisten Menschen, die sich für „die Urne zu Hause“ entscheiden, werden dies aus einem Gefühl tiefer Verbundenheit tun-und nicht um Kosten zu sparen!
(Auszug aus einer Stellungnahme von Klaus Wagner für den Verband unabhängiger Bestatter, Mai 2015)